Sobald sich der Schnee oben in den Bergen hält, kramt unsere Autorin die Touren- und Langlaufski, Thermounterhosen und Skibrille hervor. Das war nicht immer so. Eine Erinnerung an kindlich glühende Wangen und Spaghetti Bolognese…

„Du bist bestimmt schon als Kind immer in den Bergen gewesen!“, wird oft vermutet. Die Antwort lautet: nein. Von meinem Heimatort ist es zu weit für eine Tagestour in die Alpen; aber nah genug, um doch automatisch in der Schublade „bayerisches Bergkind” zu landen. Wir fuhren zwar als Familie jeden Sommer auf einen Bauernhof im Salzburger Land, doch Bergschuhe hatten wir nie dabei. Die Eltern waren zufrieden damit, uns Kinder glücklich im Kuhstall und auf den umliegenden Wiesen herumtollen zu sehen und hatten wenig Ambitionen, sich bergauf zu bewegen. Vom See den Hügel zum Hof hinauf zu spazieren, war das höchste der Gefühle – jedenfalls im Sommer. 

Fotos: Privat

Im Winter war es ein wenig anders. Ein ski-enthusiastischer Onkel legte an einem Weihnachtsabend Mitte der 1980er ein paar knallrote Plastik-Ski unter den Weihnachtsbaum. Die konnte man mittels Schnellverschlüssen an herkömmliche Winterstiefel schnallen. Unermüdlich schob mich der Onkel den kleinen Hügel in Opas Garten hoch. Er schob, ich rutschte, er schob, ich rutschte. Damit erschloss sich meinem dreijährigen Ich plötzlich eine Alternative zum ewigen Zipfelbob: Skifahren (beziehungsweise zunächst noch Skirutschen).

Zuerst locken nur Pommes und Cola

Mit Wenn-dann-g‘scheid-Attitüde ging es im folgenden Winter in den Bayerischen Wald. Dort gabs Hügel, die hoch genug waren, um richtig Skifahren zu lernen, mit übersichtlichen Hängen, kleinen Skischulgruppen und einem Bustransfer fast vor der Haustüre. Ich erinnere mich vor allem an den ersten Kurstag: Kleine Menschen kratzten in Kolonne auf ihren kurzen Ski vom Parkplatz zu einem Lift. Ich fiel nach ein paar Metern um. Gruppe weg, Klein-Steffi verzweifelt, Tränen. Irgendein Skilehrer klaubte mich auf, nahm mich mit und übergab mich mittags wieder meiner eigentlichen Gruppe. Ich war schnell wieder glücklich – wenn auch nur wegen zwei Dingen: Pommes und Cola. Dafür hatte mir Mama Geld in den Brustbeutel gesteckt. Die Köstlichkeiten waren insgeheim mein wahres Tagesziel, das Skifahren nur Mittel zum Zweck. Trotz meines anfänglich fehlenden Antriebs ließ der hochmotivierte Onkel aber nicht locker. 

So wuchs das kleine Mädchen heran, fiel mit der Zeit nicht mehr bei jeder Bodenwelle um und begriff langsam aber sicher, dass Wintersport mehr geben und bedeuten kann als nur Pommes und Cola. Entspanntes Cruisen auf breiten Pisten, strahlender Sonnenschein, Fernblick, Schlepplift fahren wie ein Profi. Und im Nachgang Papas Spaghetti Bolognese, gleich nach dem Heimkommen, die ich noch in Skiunterwäsche verschlang. 

Nach Skiunfall keine Lust mehr

Weil der Onkel irgendwann auf Snowboard umsattelte, tat ich das auch. Das hieß: noch mehr Cruisen; weniger Schlepp-, mehr Sessellift; eine gebrochene Schulter; eingerissene Fingerkapseln; Klamotten, die einem gestandenen Burschen genauso gepasst hätten. Es gab Jauchzen und Hurra, aber auch Flüche, Notaufnahme und die obligatorische Ausrede: „Der Skifahrer war schuld!” Nach einem solchen Crash war mein Snowboard hinüber und die Lust verschwunden. Parallel zog ich Zuhause aus. Neue Freunde, Start ins Berufsleben, neue Stadt. 

Nach 18 Jahren am Rande Oberbayerns erlebt man München nicht als Stadt, die nah an den Bergen liegt, sondern als Metropole, in der die Nächte ewig und die Möglichkeiten unendlich sind. Wenn ich mich aus der Stadt bewegte, dann nach Berlin, zum Feiern, nach Köln, wo die Popkultur lebte, nach Hamburg, Florenz, Rom. Mit dem Nachtbus hin, dem Nachtzug zurück, dazwischen 24 Stunden in andere Welten tauchen. Ständig unterwegs, nie Ruhe, kaum Schlaf, einfach aufsaugen. Montags stand ich am Ausbildungsplatz um 6:30 Uhr auf der Matte. 72 Stunden nicht geschlafen – kein Problem. Die Erinnerung ans pulsierende Paris hielt mich munter. 

Kommilitonin sorgt für Berg-Comeback

„Kommst du mit zum Wandern?” Eine Kommilitonin lud mich ein, nach dem Sprachkurs an der Uni. Inzwischen war ich Mitte 20 und Freitagnacht immer noch viel in der Stadt unterwegs, selten früh im Bett. Aber zur Abwechslung mal ein Tag in den Bergen – wieso nicht? Brecherspitz statt Prenzlauerberg, Teufelsstättkopf statt Tanzfläche? Womöglich taugt das ja als Alternative, wenn partymäßig mal nichts geht? 

Nach kürzerster Zeit ging tatsächlich nichts mehr – beim Wandern. Die Puste war schnell aus. Ich keuchte bergauf, hatte kaum Kraft, Puddingbeine. Den Gipfelaufbau musste die Kommilitonin alleine gehen. Ich wartete unten, in der Hütte, wo es Spezi (leider keine Pommes) gab. Wars Trotz oder der wiederentfachte Funke? Jedenfalls begleitete ich die Freundin im Winter abermals. Das Gehen war noch anstrengender, in Schneeschuhen gings gemächlich dahin, aber nach einem langen, zähen Abstieg (stundenlang durch Tiefschnee knarzend, wo Skifahrer an uns vorbei wedelten) stand für mich fest: Ich probier‘s nochmal mit den Bergen! Die Ski und ich, wir sind noch nicht fertig miteinander.

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Fast 20 Jahre nach dem Crash stand ich wieder auf zwei Brettern. Erst ganz schön wackelig, breitbeinig, an einem eher mäßig geneigten Hang, unterstützt von einem Skilehrer, der Anweisungen rufend vor mir her seine weiten Bögen zog. Ich war wieder fünf, es gab mittags Pommes auf der Hütte, abends glühten die Wangen. Nur die Bolo am Abend war mittlerweile veggie und eigenhändig gekocht. 

Vier Winter ist das mittlerweile her. Inzwischen gehören „Skitour” und „Mehrseillänge” zu meinem festen Wortschatz. Berge haben den Platz der immer wachen Großstädte eingenommen. Frühling, Sommer, Herbst gehören den Wanderschuhen, im Winter stehe ich auf Skiern. Zugegeben, manche Bergsportarten betreibe ich lieber und sicherer, als auf Tourenski durchs Gelände zu kurven, aber egal! Was zählt, ist das Gefühl, der Spaß, die Endorphine, die Zufriedenheit. Und das schenken die Berge, zu jeder Jahreszeit. 

Mehr von den Munich Mountaingirls? Hier gibts Erfahrungen auf der Mittenwalder Hütte

Ich bin nach wie vor kein bedingungsloser Winterfan, dafür ist er zu dunkel und zu kalt, aber ich habe Frieden mit ihm und seiner ewigen Dämmerung geschlossen – dank des Wintersports und den vielen tollen Erlebnissen, die er mir und meinen Bergfreundinnen beschert. Lieber Winter, auch wenn ich gerne noch ein bisschen länger klettern gegangen wäre: Ich bin bereit für dich! Du darfst dieses Jahr gerne aus dem Vollen schöpfen. Die Ski sind gewachst und die Kanten geschliffen!           

ÜBER DIE AUTORINNEN:

Stefanie ist Mitglied der Community der Munich Mountain Girls. Dort versammeln sich on- und offline an die 15.000 Frauen, die die Liebe zu den Bergen vereint. Sie verabreden sich zu Touren, nehmen gemeinsam an Kursen teil und inspirieren und unterstützen sich gegenseitig. Wenn auch du eine Bergfreundin finden willst oder Tipps zu Themen rund um den Bergsport brauchst, dann komm zu den Munich Mountain Girls – für alle Frauen zwischen 16 und 66, für Anfängerinnen, Cracks, egal woher und mit welcher Motivation.