Jetzt, da die Gipfel größtenteils schneefrei sind, kann die Trailrunning-Saison starten. „Munich Mountain Girl“ Julia „Jules“ Topp erzählt, wie ihre Liebe zum Trailrunning entstanden und warum jeder Trail ein guter ist.

Meine ersten richtigen Trailruns fanden in Australien statt. Damals wusste ich noch nicht, dass es einen Namen dafür gibt, auf sandigen, gewundenen Pfaden bergauf und bergab durch den Busch zu laufen. Ich lief einfach los, weil es dort schön und einsam war, das eine oder andere Känguruh vorbeihüpfte, Kakadus und Papageien vorbeiflatterten und mir Koalas von Eukalyptus-Bäumen herab hinterherblickten. Gelaufen bin ich mit normalen Straßen-Laufschuhen – ohne Stöcke oder das für heutige Zeiten typische Trailrunning-Equipment.

Ich hatte damals auch noch kein Smartphone, keine GPS-Uhr, verließ mich also nur auf meinen (zum Glück recht guten) Orientierungssinn. Und der Empfehlung meiner Freund*innen bin ich stets gefolgt: „Tritt fest auf, die Erschütterung verjagt Schlangen.“ Drei Jahre habe ich in Melbourne gelebt, von 2008 bis 2011, zum Glück ohne Schlangenbiss, dafür am Ende mit unzähligen Busch-Kilometern „auf der Uhr“. In dieser Zeit hat sich nicht nur meine Liebe zum Laufen auf Trails entwickelt, sondern auch die Liebe zum Draußensein generell.

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Berglaufen statt Bergtour

Deswegen war bei meiner Rückkehr nach Deutschland schnell klar, wo ich leben wollte: in den Bergen oder zumindest bergnah. So kam ich nach München. Doch in Bayern geriet das Berglaufen beziehungsweise Trailrunning zunächst in Vergessenheit. Ich ging in den Alpen wandern, sammelte erste Erfahrungen auf Skiern – meine Runden jedoch lief ich nur in der Stadt. Bis ich eines Tages für eine Bergtour meine Wanderschuhe zu Hause vergaß und kurzerhand mit den im Kofferraum liegenden Joggingschuhen vorlieb nehmen musste. Puh, ich merkte schnell, dass das Laufen in den Alpen sehr viel anstrengender war als in Australien. Wer nun denkt, dies läge an fehlenden Bergen „down under“, irrt. Es gibt dort großartige Bergregionen, die mit ordentlichen Trails aufwarten. Trotzdem war ich die langen Anstiege nicht gewohnt.

Wichtig: Trailrunning nicht ohne Schuhe mit Grip starten

Spaß gemacht hat es dennoch und ich war vor allem eins: angefixt. Irgendwann schenkte mir eine Freundin ihre kaum genutzten „Geländelaufschuhe” – und auf einmal hatte ich Grip und rutsche kaum mehr aus. Wenn ich an diese Anfangszeiten meiner Trailleidenschaft zurückdenke und mich vor meinem geistigen Auge über die Trails stolpern sehe, muss ich laut lachen. Doch streng genommen hatte ich einfach Glück, dass Verletzungen wie Bänderrisse und ähnliches ausblieben. Wenn ich heute Gruppen durch die Berge führe, nehme ich keine Läufer*innen ohne profilierte Schuhe mit!

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Trailrunning bedeutet für mich, dass ich Natur laufend erlebe und mir auch die Zeit nehme, stehen zu bleiben und die Aussicht zu genießen. Ich verausgabe mich auch gelegentlich, doch hauptsächlich tanke ich bei der Bewegung Energie und bekomme meinen Kopf frei. Muss man dafür zwingend in die Berge? Und ist Trailrunning nur in alpinem Gelände „echtes” Trailrunning?

Meine klare Antwort lautet: nein. Jeder Trail ist ein guter Trail. Egal ob er 6 oder 40 Kilometer lang ist, ob man 50, 1.000 oder mehr Höhenmeter zurücklegt – Trailrunning fängt dort an, wo der Asphalt aufhört; auf den Isartrails, im hessischen Mittelgebirge, in den Alpen oder eben auf den besagten sandigen, gewundenen Pfaden in Australien.

Zum Wohl der Tiewelt auf den Wegen bleiben

Einfach querfeldein zu rennen, hat mit Trailrunning aber nichts zu tun! Vor allem in Gebieten, in denen Tiere Ruhe suchen und in Wäldern, sollte man sich unbedingt an die Wege halten. In der Dämmerung gibt es zeitlich begrenzte Schutzzonen, genauso wie im Winter. Ja, auch ich liebe es, zum Sonnenaufgang auf dem Gipfel zu stehen, aber für solche Touren suche ich Wege aus, die der Tierwelt nicht schaden. Forstwege sind doch auch ganz okay.

Trailrunning ist längst kein Nischensport mehr, bei dem sich ein paar „durchgeknallte” Läufer*innen auf ultralangen Distanzen mit extremen Höhenmetern gegenseitig überbieten. Trailrunning ist im Breitensport angekommen und viele Straßenläufer suchen die Herausforderung, einen Marathon oder Halbmarathon in den Bergen zu laufen. So erging es mir vor einigen Jahren auch. Ich hatte keine Lust mehr auf Straßenrennen. Der Druck, immer schneller werden zu „müssen” und die persönliche Bestzeit immer wieder zu knacken, hat mich genervt. Nie wurde ich gefragt: „Hattest du Spaß?”. Immer nur hieß es: „Wie schnell warst du?”

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Jede Strecke ist jedes Mal neu

Das ist beim Trailrunning anders. Kein Rennen gleicht dem anderen und selbst dieselbe Strecke läuft sich jedes mal neu. Von den Witterungsbedingungen ganz abgesehen. Die großen Trail-Festivals bieten fast alle Halbmarathon und kürzere Distanzen für Trail-Einsteiger an. Ebenso können sich kleinere Trail-Wettkämpfe in den Mittelgebirgen kaum vor dem Andrang retten. Auch die ultralangen Distanzen mit extremen Höhenmetern erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Viele Frauen und Männer aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis wachsen über sich hinaus und laufen auf einmal 80 Kilometer und mehr. Die eine oder der andere hätte mich vor ein paar Jahren wahrscheinlich noch für irre gehalten, wenn ich mit solch einer Idee angekommen wäre.

Ich muss gestehen, ich bin solche Distanzen noch nicht in Wettkämpfen gelaufen. Ob ich es jemals machen werde? Keine Ahnung. Vielleicht. Bis dato bevorzuge ich im Wettkampf die kürzeren Distanzen zwischen 20 und 35 Kilometern. Die langen Strecken laufe ich über mehrere Tage, von Hütte zu Hütte. Ideen dafür habe ich über den Winter so einige gesammelt.