Aus Kunststoff und Luft bestehen die Produkte, mit denen das Chiemgauer Unternehmen die Spiel- und Sportwelt erobert hat. Mit Fußbällen fing alles an.

„Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen. Rahn schießt – Tooooor! Tooooor! Tooooor!“. Wir schreiben den 4. Juli 1954. Deutschland schlägt überraschend Ungarn und wird Fußballweltmeister. Nach dem Schlusspfiff ringt Radio-Kommentator Herbert Zimmermann mit den Tränen. Seine gleichsam geheulten wie gejubelten Schlussworte

„Aus, aus, aus, aus! Das Spiel ist aus. Deutschland ist Weltmeister!“

gingen in die Geschichte ein. Ob auch die Brüder Toni und Gust Obermaier aus Prien am Chiemsee jenes denkwürdige Spiel verfolgten, ist nicht überliefert, jedoch wahrscheinlich. Denn obwohl sie den Sport selbst nicht betrieben, sollten sie ihn bald maßgeblich beeinflussen.

Erster Fußball ohne Naht

Die beiden jungen Männer machten damals eine Schwachstelle an den handelsüblichen Fußbällen aus – und sich sofort ans Austüfteln einer Lösung. Auf dem Küchenherd des elterlichen Bauernhofs gelang ihnen 1956 der Durchbruch: Sie fertigten in einem gewöhnlichen Kochtopf den weltweit ersten Ball ohne Naht. Ein Fußball aus einem Guss. Die Idee wird in Brüssel mit einem internationalen Erfinderpreis ausgezeichnet, geht in Serienproduktion und führt zur Gründung von „TOGU“, dem aus den Vornamen der Brüder abgeleiteten Familienunternehmen, das heute weltweit als Marktführer bei luftbefüllten Spiel- und Sportgeräten gilt.

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Fotos: Andreas Jacob, Togu

Noch immer spaziert Toni Obermeier junior ab und an stolz durch die nach wie vor nahe Prien ansässige Produktionshalle der TOGU GmbH. Der Sohn des Firmengründers hat die Geschäfte von 1984 bis Anfang 2014 geleitet. Dann legte er die Geschicke des Unternehmens in die Hände seiner Tochter, der Gründerenkelin Vera Angelini, und ihres Ehemanns Giovanni. Der Rat und die Kreativität des Grandseigneurs sind aber nach wie vor gefragt. Immerhin haben Toni und sein Cousin Guido TOGUs Stellenwert als weltweit bekannte Marke erst etabliert. „Nicht trotz, sondern aufgrund unseres Verbleibs am heimatlichen Standort“, betont der 77-Jährige. Tatsächlich findet die gesamte Produktion nach wie vor am Chiemsee statt, lediglich ein paar Kilometer vom heimischen Hof entfernt. Sogar die Maschinen für die Produktion und den Druck werden im Haus entwickelt und konstruiert. Über 100 Angestellte gehen auf rund 16.000 Quadratmetern ihrer Tätigkeit nach. Tätigkeiten, die längst nicht mehr nur herkömmliche Bälle ausspucken.

Sprungball, Gymnastikball, Powerball und Co.

Dermannshohe Plastikball hat es zum Beispiel in Stefan Raabs TV-Show „Auto-Ball-WM“ zu Ruhm geschafft. Während die Verwandtschaft dieses Produkts zum „Urball“ ins Auge sticht, zeugen andere vom Erfindergeist der Familie und ihrem Gespür für Trends. Eine Entwicklung, die zwar langsam, aber unaufhaltsam Fahrt aufnahm. So kamen in den 60er Jahren die mit Griffen ausgestattten Sprungbälle auf, in den 70er Jahren ging es über die Medizinbälle in Richtung Gymnastik, was ab den 80er Jahren zum Boom führte. Über die Krankenkassen gelangten immer mehr der großen Gymnastikbälle in die Haushalte, und TOGU verlagerte den Fokus endgültig in den Fitnessbereich.

Nach zwölf im Laufe der Jahre angesammelten Patenten, über 30 Gebrauchsmustern und mehr als 100 Warenzeichen umfasst die TOGU-Produktpallette heute Spiel- und Sportbälle sowie luftgefüllte Medizin-, Trainings- und Therapiegeräte unterschiedlichster Art – vom berühmten „Jumper“ (einem „Zweidrittelball“ mit Trampolineffekt“) über das mehr als eine Million Mal verkaufte „Dynair Ballkissen“ (für dynamisches Sitzen) bis zum klassischen, großen Powerball. „Der einzige seiner Art, der nicht platzen kann“, betont Unternehmenssprecher Wolfgang Moosleitner.

TOGU kooperiert mit Therapeuten und Wissenschaftlern

All diese Produkte entstehen einerseits aus einer engen Zusammenarbeit mit renommierten Trainern, Therapeuten, Ärzten und Wissenschaftlern heraus, andererseits kommen die Nachfahren der findigen Unternehmensgründer immer wieder in Alltagssituationen auf bahnbrechende Ideen. Beispiel „Aero-Step“: Wie die meisten Produkte basiert es auf dem bewährten TOGU-Prinzip: Die Luftfüllung macht es zu einer instabilen Unterlage, der Körper wird zu Ausgleichsbewegungen gezwungen. In diesem Fall rief Toni Obermaier „Heureka“, nachdem sein Orthopäde ihm geraten hatte, mehr barfuß zu gehen, möglichst auf Kies, um das Fußgewölbe zu stärken und zu stimulieren. „Im Sommer kein Problem. Was aber mache ich im Winter?“, fragte sich Obermaier und entwickelte jenes zweikammerige, mit Noppen versehene, luftgefüllte Fußkissen. Der Aero-Step verbessert die Gelenkstabilität, Balance sowie Reflexe und Reaktionen.

Auf diese Weise unterstützt TOGU heute den Körper in allen Lebensbereichen, vom Büro über das Kinderzimmer bis zu Fitness-Studio oder Sportplatz. Weltmeisterlich, möchte man fast sagen. Jetzt müsste die Nationalmannschaft nur mal wieder nachziehen. Die Bundeskicker trainieren seit 2006 am Powerball. An TOGU solls also nicht scheitern.

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