Debora Mergler mag Menschen. So sehr, dass sie sie mit ihrer Kamera in nahezu allen Lebenslagen ablichtet. Mit ihrem Verein „Maisha Bora e.V.“ leistet sie zudem Hilfe zur Selbsthilfe.

Manche Geschichten nehmen ihren Anfang mit dem Zufall. So auch die von Debora Mergler. Bei ihr war es ein Weihnachtsgeschenk, eine „räudigschlechte Kamera“, wie sie sagt. Mit der machte die 16-Jährige die ersten Durch-den-Sucher-Sehversuche und entdeckte schnell, was durch das Zusammenspiel aus Perspektive, Zoom und Fokus möglich ist. Die ersten Porträts schoss sie von Freund*innen. Im Nu war ihre neue, große Leidenschaft identifiziert: Menschen – zu fotografieren und im Allgemeinen.

Von Düsseldorf über München nach Rosenheim

Geboren und aufgewachsen ist Debora in der Nähe von Düsseldorf. Für das Studium, Deutsch und Latein auf Lehramt, hat es sie erst nach München, während der Masterarbeit dann nach Rosenheim verschlagen. „Nah genug an den Bergen, aber auch nah genug an München, wo ich immer noch gerne für die Kultur hingehe.“ Dabei ist Debora selbst ein Teil dieser Kultur. Ihre erste eigene Fotopräsentation fand in München statt. Bilder aus Indonesien, wo sie sich drei Monate „herumgetrieben“ hat: Zwei Monate unterrichten, ein Monat reisen.

Fotos: Debora Mergler

Reisen ist ein ganz großes Thema für die 35-Jährige. Das bereits erwähnte Indonesien, Sri Lanka, Kenia – immer ist ihre Kamera dabei, mittlerweile eine richtig gute. Und immer im Mittelpunkt: Die Menschen vor Ort.

Menschen zu helfen ist Deboras Ding

Wegen ihrer Liebe zu Menschen hat Debora ihr Studium letztlich auf Deutsch als Fremdsprache gewechselt. „Mir macht es unheimlich viel Freude, den Menschen zu helfen.“ Momentan unterrichtet sie Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund als Ergänzung zum Schulalltag, damit diese sich nicht aufgrund der Sprache zurückgelassen fühlen.

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Ortswechsel: Riat, Kenia. Ein kleines Dorf im Nordwesten eines riesigen Landes. Grüner als gedacht, mancherorts extrem trocken. Hitze am Tag, Kälte am Abend. Die nächste Wasserstelle liegt eine Stunde Fußmarsch entfernt, meist laufen die Kinder nach der Schule los, um für die Familie Wasser zu holen. Wasser – genau daran fehlt es im Dorf. Und da möchte Debora helfen. Sie hat gemeinsam mit anderen einen Verein gegründet: Maisha Bora e.V. Das ist Kisuaheli und bedeutet „Besseres Leben“ – ausgesucht von den Dorfbewohnern. Genau das möchten Debora und ihre Vereinskolleg*innen den Menschen vor Ort er- möglichen. Für einen ersten Schritt in ein besseres Leben brauchen die Bewohner*innen Riats Wasser. Also hat der Verein Spenden gesammelt, vor Ort recherchiert und dann für elf Haushalte und die örtliche Schule Wassertanks gekauft. Debora stieg ins Flugzeug und machte sich auf den Weg nach Kenia.

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Fotos nicht um jeden Preis

Von acht Wochen Aufenthalt verbrachte sie fünf im Dorf, um die Installation der Wassertanks zu beaufsichtigen. Immer dabei: Ihre Kamera. „Niemand in Riat hat je ‚nein‘ gesagt, wenn ich nach einem Foto gefragt habe. Man hatte den Eindruck, die Leute im Dorf wollten etwas zurückgeben.“ Natürlich war sie auch auf Safari, in Nairobi und in Mombasa. „Kenia ist ein Land voller Kontraste“, sagt sie. Glückliche Menschen in Riat, Elefanten und Giraffen im Nationalpark Maasai Mara, Armut und Gewalt in Teilen der Großstadt. Dort habe sie die Kamera meist in der Tasche gelassen. Es sei etwas ganz anderes, zufriedene Menschen zu fotografieren oder Not leidende, sagt Debora. „Dieses Elend ist so ein harter Kontrast Ich habe lange gebraucht, um nicht mehr von unserem westlichen Überfluss angewidert zu sein.“

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Vom Reisefieber ist die 35-Jährige langsam geheilt; in Rosenheim kommt sie langsam an. Sie könne das Reisen auch im Vereinskontext mittlerweile ganz gut abgeben. „Ich bin x-Mal mit drei anderen auf einem einzigen Roller über irgendeine bumpy road dieser Welt gefahren – natürlich ist das irgendwie witzig, aber das Adrenalin lässt nach.“

Pläne? „Menschen helfen und Menschen fotografieren.“

Was steht in naher Zukunft an? Mit dem Verein möchten sie nach Grundwasser bohren, eine Truthahnfarm eröffnen sowie Schuluniformen für die Kinder besorgen. Maisha Bora, das ist Debora ganz wichtig, leistet „Hilfe zur Selbsthilfe“. Man möchte den Bewohner*innen nichts überstülpen, sondern entscheide gemeinsam die nächsten Schritte. Außerdem will Debora weiter unterrichten.

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Und die Fotografie? „Gerne noch mehr!“ sagt sie lachend. Rosenheimer*innen könnten Deboras Arbeit bereits kennen: Sie hat gemeinsam mit Anna Grude vom Pop-up-Kulturzentrum Affekt die Stadtteilausstellung „Geschichten und Gesichter der Endorferau“ erarbeitet. Deboras Fotos und Annas Texte porträtieren acht Bewohner*innen und einen Hund aus dem Rosenheimer Stadtteil. Sie bilden seit einem Jahr eine Art Wanderausstellung. Aktuell hängen sie in den Räumen der Sozialen Stadt Rosen-heim, in der ehemaligen Druckerei bei Christian Hlatky. Davon würde sie gerne mehr machen, sagt Debora. Vielleicht die anderen Stadtteile Rosenheims? „Die Menschen haben uns so extrem nah rangelassen, sogar physisch. Teilweise schwebt das Objektiv 50 Zentimeter vom Gesicht entfernt.“

Erinnerungen nicht nur als Fotos

Der große Aufschlag muss es aber gar nicht immer sein. Sie schießt auch Hochzeits- und Babyfotos. Dass sie bei Menschen in Not die Kamera in der Tasche behält, wissen wir jetzt. Gibt es denn auch schöne Momente, in denen sie darauf verzichtet? Debora erinnert sich zum Beispiel an eine Hindufeier, in die sie bei ihrem Aufenthalt in Sri Lanka „stolperte“. Es wurde gebetet und gesungen und Debora wurde einfach so an die Hand genommen, durfte diese gelöste, fröhliche und gleichzeitig tief spirituelle Atmosphäre erleben und ganz tief „einatmen“. „Das kann man nicht fotografisch festhalten, diesen Erinnerungsschatz trage ich in mir.“

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