Nicht jeder Künstler strebt nach Ewigkeit. Christian Stabers Eisskulpturen lassen gerade wegen ihrer glitzernden Vergänglichkeit niemanden kalt – obwohl sie buchstäblich zum Dahinschmelzen neigen.

Die Kettensäge gleitet durch den Eisblock wie ein Messer durch Butter. Behände wie ein Samurai sein Schwert schwingt Christian Staber das schwere Gerät. Während die Skulptur in einem Höllentempo Gestalt annimmt, stäubt Staber seine Zuschauer mit einer feinen Eisfontäne ein. Solche Effekte gehören zur Show des Eiskünstlers, der 1968 in Brannenburg im Landkreis Rosenheim geboren wurde und heute ein paar Kilometer weiter in Nussdorf am Inn lebt und schnitzt und bildhaut.

Vom Koch zum Künstler

Christian Staber geht nach wie vor einem  Brotberuf nach, wenn er nicht auf Weihnachtsmärkten, Firmenjubiläen oder in Fernsehsendungen seine kristalline Kunst betreibt. Seit 1997 leitet er die Küche der „Veramed-Klinik am Wendelstein“, nachdem er zuvor viele Jahre im In- und Ausland als Koch gearbeitet hatte. Ein Job, der seine Fingerfertigkeit erklärt. Eine Fingerfertigkeit, die freilich erst dann zum Vorschein kommt, wenn Staber die Kettensäge verstummen lässt und zu den filigraneren Werkzeugen greift: einem Set japanischer Stemmeisen, ultrascharf, und extra für ihn hergestellt. Damit schabt Staber nun die letzten Feinheiten in die Skulptur. 

In diesem Fall wachsen einer  Forelle in windeseile Schuppen und graben sich die charakteristischen „Augen“ in einen eisigen Maßkrug (der wirklich seinen Dienst tut!). Eine Auftragsarbeit für den 50. Geburtstag eines passionierten Fischers. Wie sehr das Dasein als Koch das Eisschnitzen beflügelt, wird nun erst deutlich. Klingt zwar zuerst nach Kalauer, erschließt sich aber schnell: Man führe sich nur die kunstvoll geschnibbelten Gemüsedekorationen gehobener Küchen oder Figuren aus gefrorener Butter vor Augen, um den Zusammenhang zu sehen. Jene hätten ihn in der Tat inspiriert, gesteht der Eiskünstler.

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Christian Staber mit einer seiner Eisskulpturen.
Fotos: Andreas Jacob

Eisblöcke aus bis zu 250 Litern Wasser

Erste Versuche „ganz in Eis“ hat Christian Staber aus Blöcken gehauen, die er in gewöhnlichen Plastikeimern erstarren ließ. In strengen Wintern bediente er sich der Eisplatten, die der vor dem Haus vorbeifließende Steinbach trug. Erst seitdem er sich im Jahr 2000 ein Atelier eingerichtet hat, produziert er eigene, gewaltige Eisblöcke, in zwei Tanks zu 120 und 250 Litern. Je nachdem, wie klar so ein Block werden soll, gurgeln umgebaute Aquariumpumpen mal mehr mal weniger vor sich hin. Sie sollen verhindern, dass der Werkstoff beim Gefrieren Blasen wirft.

Europameister im Schnitzen von Eisskulpturen

Bis der Europameister im Eisskulpturenschnitzen ans Werk gehen kann, vergehen bis zu fünf Tage. Für eine Skulptur benötigt der Speedschnitzer dann oft keine 20 Minuten – sieht man von solchen Megaprojekten ab, wie dem Rekord-Osterhasen, den Staber 2008 auf den Wendelstein setzte. Ein Riese von 4,55 Metern auf 1.724 m Seehöhe.

Um das Geburtstagsensemble zu beenden, braucht Staber ein überraschendes Element: Hitze. Mit einem Bügeleisen „brät“ er den Bauch der Forelle, bis er sie schließlich auf die zuvor ebenfalls aus dem Block gefrästen Jubiläumsziffern kleben kann. Damit das Ganze zu glänzen beginnt wie ein lupenreiner Diamant, hält Christian Staber zuletzt den Bunsenbrenner drüber. Dem Beobachter wird bange, Staber lassen ein paar Tropfen kalt – und nicht nur die! Die natürliche Vergänglichkeit seiner Kunstwerke bereite ihm keine Kopfschmerzen, sagt er. Vermutlich die ganz normale Coolness eines Eisschnitzers.

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