Wenn ein Sternekoch seine Kunst weitergeben will, muss das Umfeld dem hohen Niveau „am Herd“ entsprechen. Ali Güngörmüs hat bei der Gestaltung seiner neuen Kochschule nichts dem Zufall, stattdessen alles wahren Profis überlassen.

Pageou (gesprochen Pagu) heißt ein winziges Dorf im kurdischen Osten der Türkei. Als „anatolisches Bullerbü“ hat es Ali Güngörmüş mal in einem Interview beschrieben. Sechs Lehmhütten, deutlich mehr Ziegen, Esel und Hühner als Menschen, kein fließendes Wasser, Öllampen statt Strom. Der sympathische Sternekoch, den viele aus TV-Sendungen wie „Die Küchenschlacht“, „Topfgeldjäger“ oder „Grill den Profi“ kennen, hat dort die ersten zehn Jahre seines Lebens verbracht. Dann folgte die Familie dem bereits als Gastarbeiter in München weilenden Vater. Ein Glücksfall für den Sohn, der nach bestandenem Quali zwar eher in eine Kochlehre hineinrutscht, als es wirklich geplant zu haben, aber sehr schnell merkt, dass er ein Händchen hat für den Beruf. Die Familie zeigt zunächst wenig Verständnis. Doch Güngörmüş überzeugt sie – zuerst mit Bestnoten, dann mit einer steilen Karriere. 

Unter Dampfdruck durch seine Stationen: Jungkoch bei Karl Ederer im „Glockenbach“ (1 Michelin-Stern), Anstellungen im legendären „Tantris“ sowie in den „Schweizer Stuben“ in Wertheim-Bettingen (jeweils 2 Michelin-Sterne), Küchenchef in den Münchner Edel-Restaurants „Ederer“ und „Lenbach“ – und 2005 schließlich die Eröffnung des ersten eigenen Restaurants. Im „Le Canard Nouveau“ in Hamburg erkocht sich der damals 30-Jährige den eigenen Michelin-Stern. Damit war und ist Güngörmüş der erste und einzige in der Türkei geborene  Sternekoch. 

Kochschule liegt neben Restaurant „Pera Meze“

Apropos Wurzeln: Familie und Heimat spielten und spielen eine immense Rolle im Leben des Kochs. 2014 zieht es ihn zurück nach München, wo zu dem Zeitpunkt noch beide Eltern und die Geschwister leben. Er eröffnet zuerst das Pageou, wo er eine frische, kosmopolitische Küche mit exotischen und orientalischen Einflüssen verbindet. Anfang dieses Jahres folgt das „Pera Meze“, wo er im Glockenbachviertel die türkische Meze-Küche modern interpretiert. „Pera“, so lautet der historische Name von Beyoglu, Güngörmüş‘ Lieblingsviertel  in Istanbul. Unter dem Begriff „Meze“ versammeln sich die verschiedensten Vorspeisen, darunter Dips, Salate, Teigtaschen, gebratenes, geschmortes und gefülltes Gemüse, das ganze meist begleitet von Fladenbrot, Oliven und Öl. Verspeist werden Meze typischerweise in geselliger Runde und vereinen auf diese Weise kulinarischen Genuss mit einem Lebensgefühl. 

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Um diese Kultur noch mehr Menschen nahezubringen, hat Güngörmüş kürzlich auch eine Kochschule eröffnet, gleich neben dem „Pera Meze“, die eine Art Brückenschlag zwischen den beiden Restaurants bilden soll. Verantwortlich für das Gestaltungskonzept: das Münchener Innenarchitektur-Studio MALLUVIA um Inhaberin Marcella Breugl. Sie und ihr Kreativ-Team sind bekannt für ihre ebenso visionäre wie ganzheitliche Herangehensweise. In diesem Fall haben sie sich – ganz nach des Starkochs Gusto – bei Materialauswahl und Farbgebung von Güngörmüş Geschichte inspirieren lassen. Leser*innen seiner Kochbücher dürften sich in den Räumlichkeiten sofort wie Zuhause fühlen. Zwischen den Seiten tauchen ganz bestimmte Töne immer wieder auf, die nun auch der Kochschule Leben einhauchen – indem sie an die sandigen Berge Anatoliens, an das tiefe Blau der im Orient beliebten Nazar-Amulette und an das betörende Rot der fast zu Gebirgen angehäuften Paprikafrüchte auf den Basaren Istanbuls erinnern. 

Ein Spiegel wie eine Sonne

Die Musik spielt hauptsächlich in zwei Bereichen. Gäste betreten zunächst einen großzügigen Essbereich mit ausladender Tafel. Das „Wiener Geflecht“ der neun Freischwinger-Stühle setzt sich in den imposanten Leuchten über dem Tisch fort – nur ein Teil des ausgeklügeten Beleuchtungskonzepts, das sich durch sämtliche Räume zieht, inklusive spannendem Spiel zwischen direkter und indirekter Beleuchtung insbesondere im Küchenbereich rund um den freistehenden Küchenblock (ein gewaltiger, mit Holz und Naturstein verkleideter Quader).  

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Doch verweilen wir noch kurz nebenan, im Essbereich: Ein riesiger, kreisrunder, bronze-getönter Spiegel zieht unweigerlich die Blicke an. Dieser spielt mit dem „sonnigen“ Nachnamen des Inhabers, erinnert an die Lichtinstallationen im Pageou und  stellt eine charmante Sichtachse zur Küche her. So lange Güngörmüş noch nicht zum Kursbeginn läutet, lässt sich wunderbar die dunkelbraune Holzlamellenwand bewundern. Sie stammt ebenso wie der Tisch aus der nördlich von Rosenheim gelegenen Schreinerei „Höhensteiger & Zangerl“,  die mit handwerklichem Geschick, kreativen Ideen und modernster Technik maßgeschneidertes und selbst ausgefallenstes Interieur anfertigt.

Holzlamellenwand mit „Geheimtür“

Innenarchitektin Breugl rät verschmitzt, ein wenig genauer hinzusehen – und siehe da: inmitten der Lamellen offenbart sich eine nahezu unsichtbare Tür. Sie verbindet den Gastraum mit dem Flur, der zu Toilette und Spülküche führt – überraschenderweise eine kleine Welt wie aus Tausendundeiner Nacht mit ihren terracotta- beziehungsweise petrolfarbenen Wänden und den ornamentalen Fliesen…

Zurück in der Küche: Neben dem bereits erwähnten Küchenblock beeindrucken in diesem Raum vor allem die komplett mit azurblauen Fliesen bedeckte Rückwand – und natürlich Ali Güngörmüş selbst, sobald der Koch beginnt, den geneigten Kochschüler*innen Speisen wie Spinat-Tomaten-Börek, Sellerie-Dattel-Salat, Pogaca mit Schafkäse-Petersilien-Füllung, Kichererbsen-Kokos- Suppe, Tomaten-Risoni-Risotto oder karamellisierte Passionsfruchtcreme mit marinierter Mango beizubringen.   Nur seine Leibspeise – Zitronenhuhn mit Kartoffeln, Gewürzjoghurt und Gemüse – die lässt er sich nach wie vor lieber zubereiten. Von der Mama. So ein Sternekoch ist halt auch nur ein Mensch.      

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