Generationsübergreifende Frauenpower im jahrhundert-alten Kramerladen Irmis Hoamat.

Schon als wir vor über drei Jahren die Tür ins Innere von „Irmis Hoamat“ in der Ortsmitte in Riedering aufstießen, war schnell klar: Hier sind ein paar vermeintliche Regeln außer Kraft gesetzt! Kramerläden sind ein Relikt? Altes kann die neue Zeit nicht überleben? Generationenwechsel im Geschäftsleben stolpern sich ins Scheitern? Das gibt’s hier alles nicht. Stattdessen scheint es immer noch so, wie es uns die heute 93-jährige Irmgard Staber, Matriarchin im Betrieb, schon 2018 beschrieb: „Der Herrgott hat mich scheinbar da reingesetzt“. Als würde er schlicht dafür sorgen, dass alles wie am Schnürchen läuft – oder zumindest zweifelsfrei seine schützende Hand über den Laden in der Ortsmitte halten. Jedem Ladensterben zum Trotz.

Taffe Tochter im Team

Über sagenhafte 300 Jahre gibt es den kultigen Kramerladen in Riedering nun. Seit vergangenem Jahr richtet er sich mit der dritten starken Frau in der Ahnenreihe auf die nächsten Jahrzehnte aus. Doch es hätte auch diesmal ganz anders kommen können…

Die dritte im Bunde: „Wenn mir jemand damals vor drei Jahren gesagt hätte, dass ich heute hier stehe, hätte ich es nicht geglaubt“, gibt die 28-jährige Sophia Mayr zu. Damals, das war mitten im notwendigen Abnabelungsprozess von ihrer Mama Irmi, die den Kramerladen 2017 selbst erst in ihren Fünfzigern von ihrer Mutter gleichen Vornamens übernommen hatte – und sich seitdem natürlich nicht nur insgeheim immer wünschte, auch bald die eigene taffe Tochter im Team zu haben. Sophia allerdings heuerte zunächst in der Gastronomie an, unter anderem in Kitzbühel und sogar auf hoher See.

Alles da in Irmis Hoamat

Erst im Coronajahr 2020 sprang sie Mutter und Oma bei. Nicht nur aus der Not heraus. Sondern weil sie’s, so lapidar wie großspurig es klingt, halt wohl einfach im Blut hat. Darüber hinaus weiß sie ganz genau, wie das geht, auch bei geschlossenen Ladentüren präsent zu sein: Sie schwang und schwingt den Frauenpower-Zauberstab der Moderne, dreht fleißig Storys und Reels auf Instagram und sorgt dafür, dass ein Besuch des Riederinger Kramerladens unabhängig aller Ladenöffnungszeiten möglich ist – und (fast) ebenso lohnenswert. Mit der Konsequenz, dass auch Instagram-Fans aus Düsseldorf zum Shoppen in Riedering vorbeischauen.

Denn: Was ist das für ein Angebot! 219 verschiedene Firmen sind zu finden, erzählt Irmi Mayr, „Omas Bahlsen Kekse“, Eier, frisches Brot, Wurst, Honig, Butter, natürlich alles eigens von Händlern aus der Region zusammengesammelt, Reinigungsmittel, Kerzen, Toilettenpapier, Geschirr,… Und wenn einem eine der Mitarbeiterinnen ein verschwörerisches: „Es ist wirklich alles da, das ist fatal!“ zuraunt, spielt sie damit natürlich auf die Wohnaccessoires, Kleidung und Schuhe im hinteren Teil an, die auch im hippsten Modeladen in München verzücken würden. Was heute, eben nicht zuletzt, auch an Sophias Arbeit liegt: „Der Einkauf und die Suche nach neuen Trends macht mir am meisten Spaß“, sagt sie.

Vom Pulli übers Windlicht bis zu den Mützen in Bonbonfarben ist jedes Teil, das es in „Irmis Hoamat“ gibt, derart handverlesen, dass das Thema Internet eben keines ist, was als Konkurrenz betrachtet werden müsste. Warum sollte man sich auch durch anonyme Shops klicken, wo man doch in Riedering knallharte Modeberatung dazu bekommt? „Was immer wieder passiert“, erzählt Mutter Irmi: „Die Kundinnen kommen aus der Umkleide und suchen mit den Augen erstmal den Laden ab: ‚Ist Oma a da?‘ Wenn die dann sagt, dass schee is’, dann wird’s gekauft“.

Fotos: Andreas Jacob

Leidenschaft, Fleiß und gegenseitige Unterstützung

Irmgard und Sophia Mayr haben den Blick durch die schlauen blauen Augen der Oma verinnerlicht, auch, wenn es darum geht, „Irmis Hoamat“ immer wieder neu zu erfinden. Die Frage nach dem Geheimrezept, das die Frauen aus drei Generationen so reibungslos zusammenarbeiten lässt, beantworten sie unisono mit Begriffen wie: Leidenschaft, Fleiß, gegenseitige Unterstützung; akzeptieren, was besteht, Neues zulassen.

Dank dieser Mischung aus Toleranz und Ehrgeiz sind auch die drei Mitarbeiterinnen im Team „Hoamat“ mehr Familie als Arbeitskräfte. Und Irmi Mayr war neulich, weil Gott es wohl so wollte, nach vielen Jahren zum ersten Mal an einem Montagnachmittag nicht in der „Hoamat“ im Tal, sondern oben am Berg: „Weil ich gewusst habe, Sophia und die Oma sind da – und dann passt alles gut.“

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