Simon Wolff ist leidenschaftlicher Goaßlschnalzer. Der Chiemgauer gehört zu den letzten, die das Handwerk des Goaßlbaus noch beherrschen.

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Als „Aperschnalzen“ wird eine Form des Goaßlschnalzens bezeichnet, die den bayerisch-salzburgischen Brauch insbesondere zur Weihnachts- und Faschingszeit pflegt.

Ein ohrenbetäubender Knall zerreißt die friedliche Idylle im Chiemgau. Knall auf Fall folgen vier weitere. Verantwortlich für den Krawall: Simon Wolff , begeisterter Goaßlschnalzer. Schon als junger Bursche faszinierte ihn die jahrhundertealte Tradition der Fuhrmänner. Als sich ihm 1973 die Gelegenheit bot, das Schnalzen von einem waschechten Fuhrmann zu erlernen, zögerte er nicht lange und gründete kurze Zeit später mit ein paar Kameraden die „Traunwalchner Goaßlschnalzer“, mit denen er 13 mal zum Bayerischen Meister gekürt wurde.

Goaßlschnalzer gehen auf die früheren Fuhrmänner zurück 

Die Tradition des Goaßlschnalzens geht zurück auf die Peitschen, mit denen sich früher Fuhrmänner untereinander verständigten. Fuhr einer beispielsweise mit seiner Kutsche in eine enge Gasse hinein, habe er geschnalzt, um etwaigen entgegenkommenden Kutschern zu signalisieren, dass sie zu warten hatten. Auch zur Bekämpfung von Langeweile auf langen Fahrten sei das Schnalzen genutzt worden. „Die Fuhrmänner hatten damals kein Radio oder iPod, also haben sie sich mit dem Schnalzen unterhalten“, erzählt Wolff in tiefstem Bairisch. Über die Jahre seien auf diesem Weg die verschiedenen Schlagfolgen entstanden.

Heutzutage wird das Goaßlschnalzen überwiegend auf bayerischen und österreichischen Festen praktiziert. Dabei schnalzt eine Gruppe Männer im Takt, üblicherweise zu einem Marsch, zu einer Polka oder auch als Begleitung traditioneller Schuhplattler-Musik. Diese Form des Goaßlschnalzens entstand jedoch erst in den 1960ern, als eine Gruppe aus Prien am Chiemsee auf einem großen Landwirtschaftsfest in München damit auftrat. In den folgenden Jahren schossen die Gruppen wie Pilze aus dem Boden. Immer mehr Trachtenvereine übten die Technik aus. Längst finden jedes Jahr Einzel- und Gruppenmeisterschaften statt, in denen die Besten der Besten versuchen, sich gegenseitig zu übertrumpfen.

Der letzte bayerische Goaßl-Macher

Seine Goaßln baut Wolff in stundenlanger Handarbeit selbst. Gelernt hat er die Goaßlmacherei von Martin Grundner aus Burghausen, der seinerzeit bayernweit bekannt war für seine Fuhrmannspeitschen. Nach Grundners Tod übergab seine Witwe das Arbeitsmaterial an Wolff. Seitdem hobelt, schleift und knotet der Chieminger in seiner kleinen Garage, was das Zeug hält. In Bayern ist er damit der letzte seines Standes. Während die Industrie nur mehr Peitschen für Pferde herstellt, fertigt Wolff die Goaßln noch speziell zum Schnalzen. Goaßlschnalzer von nah und fern – sogar aus Amerika und Australien – wenden sich an  ihn. Auch um die Technik des Schnalzens zu erlernen, fragen ihn viele um Rat.

Mittlerweile fertigt Wolff seine Fuhrmannsgoaßln überwiegend aus Fieberglas. „Das ist widerstandsfähiger als Holz“, sagt der pensionierte Pharmazietechniker. Die originalen Goaßln bestehen aus einem Rattanholz, dem sogenannten Manila Peddigrohr, das ebenso leicht wie flexibel ist. Den Stock so zu hobeln und zu schleifen, dass er sich beim Schnalzen an der richtigen Stelle biegt, ist eine Kunst für sich. Eine Kunst, die der routinierte Goaßlbauer aus dem Eff eff beherrscht.

Schmitz beschleunigt auf Überschallgeschwindigkeit

Gekonnt spannt er das Holz in einen auf seiner Werkbank befestigten Metallwinkel ein und beginnt, es so lange zu bearbeiten, bis es konisch ausläuft. Am dicken Ende des Stocks befestigt er einen Griff , das dünne Ende umwickelt er mit einem Lederband. Dort wird mit einer dünnen roten Schnur ein Hanfstrick befestigt. An dessen Ende knotet Wolff die sogenannte „Schmitz“, ein kurzes Stück eben jener roten Schnur. „Die Schmitz beschleunigt beim Schnalzen auf  Überschallgeschwindigkeit. Dadurch teilt sich die Luft und das erzeugt dann den Knall“, erklärt er, ehe er die Goaßl scheinbar mühelos schnalzen lässt. „Bei der Technik gibt es vieles zu beachten, von der korrekten Handstellung bis zur Körperspannung“, sagt Wolff , während er mit der Goaßl eine liegende Acht in die Luft zeichnet.

Auch wir wollen es auf einen Versuch ankommen lassen. Während Fotograf Andreas die Goaßl tatsächlich einmal zum Schnalzen bringt (Anfängerglück), bringe ich nur ein leises „Flap“ zustande. „Um mit dem Schnalzen auftreten zu können, muss man sehr viel üben“, betont der mehrfache Bayerische Meister, der regelmäßig einigen Gruppen die Technik und Taktfolgen lehrt.

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Fotos: Andreas Jacob

Nachdem sich die Gruppe der „Traunwalchner Goaßlschnalzer“ vor einigen Jahren auflöste, wurde eine neue Gruppe gegründet: die „AltTrauner Goaßlschnalzer“, in der nun die besten Schnalzer aus ganz Bayern vereint sind. Gemeinsam mit anderen Gruppen werden regelmäßige Treffen und Frühschoppen organisiert. Diese Veranstaltungen bereiten Wolff besonders viel Freude. „Das ist was Feines, weil da geht es um nichts. Man schnalzt nur, weil es Tradition ist und Freude macht“, sagt der gestandene Bayer, während sich sein Mund unter dem Schnauzer zu einem Lächeln verzieht. Es ist off ensichtlich: Dieser Mann ist wirklich in sein Handwerk verknallt.