DYNAFIT errichtet ein neues, spektakuläres Headquarter in Kiefersfelden nahe Kufstein. Aus diesem Anlass hat sich das himmeblau-Magazin zum Interview mit Benedikt Böhm getroffen, internationaler Geschäftsführer der Marke – und mehrmaliger Weltrekordhalter im Extrembergsteigen.

Fotos: Dynafit

Der 45-jährige Münchner war von 2003 bis 2006 Mitglied der deutschen Nationalmannschaft im Skibergsteigen und nahm in 2006 an der Weltmeisterschaft im Skibergsteigen teil. Er hält mehrere Speedrekorde am Berg, unter anderem am Manaslu im Himalaya (2012, 23,5 Stunden Auf- und Abstieg) und am Himlung Himal (2022, 6:43 Stunden vom Basecamp zum Gipfel). Seit 2022 ist Böhm offizieller Themenbotschafter der WWF-Stiftung für die Himalaya-Region und ihre Schneeleoparden. Mit seiner Initiative „Helping Band” engagiert er sich aktiv für den Umwelt- und Klimaschutz. Wir haben ihn getroffen, weil DYNAFIT gerade ein neues Headquarter in Kiefersfelden errichtet. Ende des Jahres wird der beeindruckende Architektenbau eröffnen.

Aus der Sicht eines Extremsportlers: Was ist das Aufregendste, das Sie heute schon erlebt haben?

Meine Tage beginnen immer sehr früh. Ich versuche, mein Training am Berg meist noch vor den ersten Terminen zu bewältigen und darf dabei spektakuläre Sonnenaufgänge und wunderschöne Sternenhimmel sehen. Ich brauche diese morgendlichen Touren, um mich zu entspannen und Kraft zu tanken für den Arbeitstag. Aufregend ist daran vor allem die Intensität, die schnelle Abfolge und Diversität der täglichen Aufgaben und Herausforderungen.

Dynafit Geschäftsführer Benedikt Böhm
Fotos: Dynafit/Alex Demilia

Welches war das härteste Ziel, das Sie jemals erreicht haben – und wie haben Sie sich danach gefühlt?

Es ist schwierig ein Erlebnis herauszustellen, denn die Erinnerungen an die Schmerzen, die bei Speed-Besteigungen einfach dazugehören, verblassen. Sonst würde man sich wahrscheinlich nicht auf ein nächstes Abenteuer einlassen. Hart waren meine Expeditionen auf Acht- und Siebentausender alle. Ich erinnere mich, dass wir im Jahr 2006 zweimal innerhalb von vier Tagen auf dem Gasherbrum 2 (8.025 Meter) gestanden sind. Und zweimal mussten wir die für mich noch schlimmere Skiabfahrt im absturzgefährdeten, steilen Gelände meistern. Eine meiner härtesten Erfahrungen war der Sturm am Manaslu, dem ein dramatisches Lawinenunglück folgte. Und dann haben wir es doch noch in Rekordzeit innerhalb von 15 Stunden zum Gipfel geschafft. Aber es muss nicht immer ein hoher Berg sein. Meinen längsten Einsatz hatte ich bei einer nonstop Alpenüberquerung, ich bin 210 Kilometer und 11.500 Höhenmeter querfeldein mit Ski von Deutschland nach Italien gelaufen. Nach 28 Stunden und 45 Minuten Dauerlauf kam ich mit Fleischwunden an den Füßen völlig fertig am Ziel an. Es ist oft nicht nur die körperliche Herausforderung, mit der man sich auseinandersetzen muss, sondern die Kälte, Ängste, Selbstzweifel und Ungewissheit.

Sie sind mit fünf Geschwistern in Harlaching aufgewachsen und haben in einem Interview mit der Süddeutschen einmal betont, dass das (und die entspannte Erziehung ihrer Eltern) sie so mutig gemacht haben. Kann man Mut, auch noch als Erwachsener, lernen? Wenn ja: Wie?

In unserem Haus und inmitten der Großfamilie herrschte eine Atmosphäre, die sicherlich zur Überwindung meiner Ängste beigetragen hat. Es war ungezwungen, Ängste wurden off en besprochen und auch, wie man ihnen am besten begegnen kann. Für mich war es die richtige Mischung aus sensibler Beratung und Respekt, der uns Kindern entgegengebracht wurde, ohne verhätschelt zu werden. Wir wurden ernst genommen. Es gehört vor allem der eigene Wille dazu, seine Mutmuskeln stärken zu wollen und sich nicht einfach mit seinen Ängsten abzufinden. Kein Mut ohne Angst. Der Mutmuskel kann trainiert werden und es gibt viele Methoden, mit Ängsten umzugehen. Ich versuche seit Jahren, meine Methodik der Angstüberwindung weiter zu per-fektionieren. Die Königsdisziplin ist Angst durch Achtsamkeit zu ersetzen.

Fotos: Roberto Bragotto

Sie haben in den UK und den USA Wirtschaftswissenschaften studiert. Wie wichtig ist Mut in der Wirtschaft – und wo liegt da die „Todeszone“?

Die Todeszone in der Wirtschaft ist dort, wo unser Geschäftsmodell nicht mehr funktioniert, wir als Folge dauerhaft unprofitabel arbeiten und damit Arbeitsplätze und die Schicksale von Familien gefährden. Wir sind permanent dazu angehalten, achtsam zu sein und die Zukunft zu visualisieren. Es braucht Mut, um angewandte Geschäftsmodelle immer wieder zu hinterfragen und frühzeitig in Veränderungen zu investieren. Aber wir brauchen keinen Übermut. Umso innovativer wir sein wollen und umso höher der Anspruch ist, die Rolle als Marktführer einnehmen zu wollen, umso mutiger müssen die Entscheidungen sein. Man muss also nicht nur absolut überzeugt von seinem Ziel und dem Weg dorthin sein, sondern das Risiko meistern können. Und um Risiko und Ungewissheit bestmöglich zu meistern, bedarf es guter Vorbereitung. An dieser Stelle sehe ich Parallelen zwischen Ex-peditionen und Management, denn in beiden Disziplinen sind 80 Prozent des Erfolgs die akribische Vorbereitung aller Details. Die anderen 20 Prozent sind die Flexibilität auf dem Weg zum Ziel.

Dynafit hat sich nicht zuletzt seit Ihrem Einstieg zu einer der innovativsten und erfolgreichsten Outdoor-Marken auf dem Markt entwickelt. Nun bauen Sie ein neues Headquarter. Warum haben Sie als Standort das kleine Kiefersfelden gewählt?

Wir sind seit Jahren auf der Suche nach einem neuen Standort für unser Dynafit Headquarter, die bisherigen Räumlichkeiten sind in die Jahre gekommen und repräsentieren die Marke nicht mehr. Natürlich haben wir lange nach dem optimalen Sitz für die Marke gesucht und sind zufällig auf das Grundstück in Kiefersfelden aufmerksam geworden. Die Lage direkt an der Autobahn, zwischen München, Innsbruck und Salzburg, kombiniert mit den Bergen ist für uns einfach perfekt. Wir sind mit Kiefersfelden direkt am nördlichen Alpenrand und damit auch „nur“ 200 Kilometer vom Salewa Hauptsitz, unserer Schwersternmarke in Bozen, entfernt. Das „kleine“ Kiefersfelden eröffnet der Marke DYNAFIT große Möglichkeiten zur Weiterentwicklung. Im Dezember 2023 wollen wir das Gebäude eröffnen.

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Rein optisch entsteht mit den zwei ineinander verschränkten Dreiecken aus Stahl und Glas ein spektakuläres Gebäude. Gleichzeitig steht Dynafit für Minimalismus, Leichtigkeit und Effizienz. Auf welche Weise spiegelt der Bau – innen wie außen – Ihre Markenphilosophie?

Wir haben einen internationalen Architektenwettbewerb ausgeschrieben und der Entwurf des Architekturbüros Barozzi Veiga hat uns sofort überzeugt. Die Architekten aus Barcelona haben das Gebäude, bestehend aus zwei ineinander verschränkten Bergzacken, das sich ideal in das Gesamtbild der umliegenden Bergwelt einfügt, vorgeschlagen. Der Neubau ist zwar spektakulär, gleichzeitig clean und reduziert auf das Wesentliche. Und auch das spiegelt unsere Haltung und Werte wider. DYNAFIT hat sich seit jeher auf die Fahne geschrieben, dass unsere Produkte einem minimalistischen Ansatz verpflichtet sind. Unsere Systeme, die wir Bergausdauerathlet*innen anbieten, verzichten auf Überflüssiges und sind mit dem Anspruch entwickelt, technisch minimal für eine maximale Performance absolut zuverlässig zu funktionieren.

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Was genau wird innerhalb der Mauern alles passieren und geboten?

Im Inneren des Neubaus befinden sich moderne und flexible Büroplätze für rund hundert Mitarbeiter*innen sowie ein umfassender öffentlicher Bereich. Dort laden wir Besucher*innen in die Markenerlebniswelt „Speed Factory“ ein. Hier dreht sich alles um das Thema Speed. Darunter verstehen wir als Marke: Wer mit weniger Gewicht und Aufwand am Berg unterwegs ist, macht sich selbst schneller und effizienter. Unser Wappentier, der Schneeleopard, macht das vor: Geschmeidigkeit und Eleganz vereinen sich in größter Geschwindigkeit und instinktiver Reaktion. In der neuen Markenerlebniswelt führt der Schneeleopard durch die Produktsysteme von DYNAFIT und lässt bei allen Besucher*innen die sichere Erkenntnis wachsen – auch ich könnte 20 Prozent schneller sein. Dafür muss man auf Überflüssiges verzichten und sich auf das Wesentliche konzentrieren, wie die Skitourenbin-dungen, Laufschuhe und Tourenskier von DYNAFIT beweisen. Und genau wie diese Produkte entstehen, wollen wir im neuen Headquarter zeigen: Man kann einen Blick in die Bindungsentwicklungsabteilung werfen, sich ein eigenes individuelles Paar Skier bauen, seine Sportausrüstung reparieren oder optimal an die eigenen Bedürfnisse anpassen lassen und vieles mehr.

Inwieweit profitieren Kund*innen, Sportler*innen sowie Einheimische von dem Standort?

In der so genannten „Speed Factory“ ist jede*r willkommen: In der Markenerlebniswelt können Sportler*innen spielerisch herausfinden, wie fit sie sind und welche Produkte optimal zu ihrem Einsatzbereich passen. In unserem großzügigen Care & Repair Center steht der Nachhaltigkeitsgedanke, den die Oberalp Gruppe als einen ihrer wichtigsten Werte lebt, im Fokus. Bergsportler*innen können hier beschädigte Outdoor-Bekleidung und Ausrüstung aller Marken reparieren lassen. Wir stellen attraktive Meeting- und Präsentationsflächen zur Verfügung, die auch extern angemietet werden können. In der Ski Factory können sich Skisportler*innen ihre ganz eigenen, individuellen Tourenski bauen lassen. Die Kindertagesstätte bleibt zunächst dem Nachwuchs des Oberalp Teams vorenthalten und soll schrittweise vergrößert werden, um zukünftig auch ein erweitertes Angebot für Einheimische anbieten zu können. Ein weiteres Highlight für Einheimische, aber auch Pendler*innen und Besucher*innen ist das hauseigene Restaurant, das im separaten Gebäude neben dem Headquarter entsteht. Im DYNAFIT Bivac wird vor allem vegetarische und durchweg regionale Kost angeboten – ganz nach dem Credo „Mediterranes trifft auf Leichtigkeit“.

Dynafit bzw. Oberalp haben sich auch das Thema Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben. Wie sieht verantwortungsvoller Bergsport aus und wie trägt das neue Headquarter dazu bei?

Wie bereits erwähnt, eröffnen wir ein großes Care & Repair Center im öffentlichen Bereich des DYNAFIT Headquarters. Wir wissen, dass das nachhaltigste Produkt jenes ist, das man bereits besitzt. Daher erweitern wir ab 1. Oktober 2023 unsere Life-time Guarantee von bisher 5 auf 10 Jahre. Das Produktversprechen ist ein Meilenstein für uns, mit dem wir die Bergsport-Community zu einem achtsameren Umgang mit Ressourcen sensibilisieren und motivieren wollen.

Gerade zu Zeiten des Fachkräftemangels gilt gewiss auch für Dynafit: Gute Mitarbeitende sind das wichtigste Kapital. Was bietet das neue Markenhaus interessierten Bewerber*innen?

Ich habe meine Leidenschaft damals zum Beruf gemacht und bin rückblickend sehr froh darüber. Und genau solche Kolleg*innen suchen wir. Natürlich muss niemand Sportler*in sein, aber als Marke „von Athleten für Athleten“ sind wir für bergsportbegeis-terte Menschen eine großartige Wahl. Wir haben im neuen Markenhaus Platz für rund 100 Mitarbeiter*innen, die in lichtdurchfluteten Büros mit neuartigen Beschattungssystemen moderne Arbeitsplätze vorfinden. Ein Trainingsraum inklusive Boulderwand steht für Interne zur Verfügung, in der Mittagspause geht es für manche Kolleg*innen aber sicher auch kurz auf einen der umliegenden Berge. Unsere Vision ist es, ein Office-Home zu erschaffen. Das heißt, wir möchten die Arbeitsplätze und das Gesamtangebot so gut gestalten, dass die Mitarbeiter*innen lieber ins Office kommen als im Home-Office zu bleiben. Ein hauseigenes Selbstversorgungsrestaurant, neuartige Kreativflächen und eine Kindertagesstätte runden das Angebot für das DYNAFIT Team ab. Wir wollen insbesondere für Familien und spezialisierte Fachkräfte eine attraktive Gesamtlösung anbieten und unterstützen beispielsweise bei der Wohnungssuche vor Ort.