Die Geschichte vom Steinbrecherhof lässt sich bis 1427 zurückverfolgen. Immer war er im Besitz einer Familie. Heute führt Maria Strillinger das Gasthaus – mit langer Ahnenreihe und gewaltiger Instagram-Community im Rücken.

Fotos: Andreas Jacob

Ohne das ehemalige Benediktinerkloster vom Tegernsee wüsste Maria Strillinger höchstwahrscheinlich gar nicht, in welches geschichtsträchtige Haus sie hineingeboren wurde. Sie hätte keinerlei Kenntnis davon, über wie viele Generationen hinweg es ihre Familie schon bewohnt. Ohne die Folgen der Säkularisation wiederum wäre der Steinbrecherhof in Bad Wiessee vielleicht noch heute einfach eine kleine Landwirtschaft in einem verschlafenen Dorf. Das trägt seinen Titel als Bad übrigens erst seit 1922, aber das würde nun zu weit führen. Um bei unserer Geschichte zu bleiben und sie quasi vom zweiten Drittel her aufzurollen: Am 17. März 1803 schlug den Tegernseer Benediktinern die letzte Stunde. Schluss, Aus, Amen!

Die bedeutendsten Kunstwerke und tausende Bände aus der Kloster-Bibliothek wurden staatlichen Sammlungen einverleibt. Auf die Schriften kommen wir später zurück, sofort können wir konstatieren, dass die Zerschlagung der immerhin bis auf die frühen 760er Jahre zurückreichenden Abtei weitreichende Folgen für das Tegernseer Tal haben sollte. In welcher Wucht, war zu dem Zeitpunkt in keinster Weise vorherzusehen.

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Als der König kam

Eine ganze Weile interessierte sich kein Schwein für die Klostergebäude in jener – wie sie der für die Verwertung zuständige Lokalkommissar beschrieb – „öden Gegend“. Aus heutiger Sicht eine fast schon aberwitzige Untertreibung! Öd, am Tegernsee, „schön wär‘s“, denken sich die Einheimischen an jenen Tagen, an denen die Heerscharen aus München wie die Ameisen über den Wallberg wuseln. Schuld am spektakulären Aufschwung der Gegend war jedenfalls, wie der Kirchenhistoriker Roland Götz für das „Haus der Bayerischen Geschichte“ herausgefunden hat, König Max I. Joseph – naja, genaugenommen seine Gattin.

Die „Lovestory“ soll sich wie folgt zugetragen haben: 1815 habe die königliche Familie ihren Urlaub am Tegernsee verbracht. Friederike Karoline Wilhelmine von Baden verschaute sich in das schon leicht ramponierte Kloster und überredete den König schließlich, das Ding zu kaufen. 1817 wurde das frühere Kloster zum Schloss befördert und ordentlich aufgebrezelt, der Tegernsee wurde zur königlichen Sommerresidenz. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass der imposante Komplex noch heute den Wittelsbachern gehört. Er beherbergt unter anderem das überregional bekannte „Bräustüberl“ der Tegernseer Brauerei und das Gymnasium von Tegernsee. 

Die Uroma in der Badewanne

Viel wichtiger für unsere Geschichte: Im Gefolge „Ihrer Majestäten“ pilgerten damals plötzlich Adlige, Künstler*innen und allerhand Betuchte an den Tegernsee (darunter zum Beispiel der Zar von Russland und Kaiserin Sissi von Österreich) – der Fremdenverkehr war geboren. Und wir haben die Schleife zur eingangs vorgestellten Maria Strillinger, die als eine von heutzutage schier unzähligen Gastgeberinnen der Gegend reüssiert. Als Kind schnappte sie aus dem Munde der Großeltern noch den Begriff der „Herrischen“ als Bezeichnung für Touristen auf.

Die damaligen „Sommerfrischler“ aus den Großstädten des ganzen Landes fielen nämlich mit Sack und Pack (im Sinne von Bediensteten) in die Höfe ein, die sich ja eigentlich der Landwirtschaft widmeten und erst einstellen mussten auf das neuartige Gastgewerbe. Die zusätzliche Mark ließen sich schon Marias Urgroßeltern, Maria und Egid Pauli, natürlich nicht durch die Lappen gehen. „Wenn der Platz nicht reichte, hat die Ur-Oma halt in der Badewanne geschlafen“, erzählt die Nachfahrin lachend.

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Da haben es die Eheleute Strillinger heute bequemer. Seit 2013 führt Maria das von den Eltern übernommene Gästehaus. 11 Zimmer haben sie, im Haupthaus wohnen sowohl Strillingers mit den beiden kleinen Töchtern als auch Marias Eltern, die glücklicherweise immer noch mit anpacken, aber sich ansonsten heraushalten. Eine unkomplizierte Bilderbuchübergabe. Das scheint in der Familie zu liegen, wie wir gleich erfahren werden. Maria jedenfalls, die gelernte Hotelfachfrau, hat niemals auch nur eine Sekunde daran gezweifelt, dass es einmal so kommen würde. Nicht einmal, als sie nach der Ausbildung im Parkhotel Egerner Höfe in Rottach (ein 5-Sterne-Boutique-Hotel) für ein paar Monate nach Schottland übersiedelte, um sowohl ihre Englisch- kenntnisse als auch den Horizont zu erweitern.

Steinbrecherhof geht bis auf 1427 zurück

Von Edinburgh aus habe sie das schottische Hochland erkundet, das Gefühl von Weite und Freiheit ungemein genossen – und dennoch nicht einmal den Anhauch eines Zweifels verspürt: „Mir war immer klar, dass ich hier weitermache.“ Es wäre aber auch eine Tragödie gewesen, wenn diese jahrhundertelange Tradition mit ihr ein Ende gefunden hätte!

Damit sind wir wieder beim ehemaligen Kloster angelangt, in dessen „Einzugsbereich“ der Steinbrecherhof gehörte. Vorteil für die Nachfahr*innen: Dank feinsäuberlicher, klösterlicher Chronistenarbeit lässt sich die Geschichte des Hofes bis ins Jahr 1427 zurückverfolgen. Maria setzt sich nach getaner Arbeit gern mit ein paar Büchern und einer Tasse Kaffee zu interessierten Gästen auf die Terrasse. Gemeinsam reißt man dann die Blicke los vom täglich in einem anderen Blauton funkelnden Tegernsee und versinkt in der ebenso informativen wie unterhaltsamen Historie des Hofes. 

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Wir wollen nicht allzuviel vorwegnehmen, außer diese Appetithappen: Der im Jahr 1731 geborene Kasper Frankh, der den Hof von 1757 an führte, scheint weniger Gefallen an der Landwirtschaft, dafür umso mehr an seinen beiden Gattinen gehabt zu haben. Das Gesicht der frommen, dem Zölibat verpflichteten Mönche möchte man vor sich sehen, als diese zu notieren hatten, dass aus den beiden Ehen sage und schreibe 20 (!) Kinder hervorgegangen sind.

Mit dem 1883 geborenen Egid Pauli – eine Schwarz-Weiß- Fotografie des Herren hängt im Flur vom Steinbrecherhof – ziert sogar ein Bürgermeister den Stammbaum. Respekteinflößend sieht er wahrlich aus, wie er da in seiner Tracht und mit imposantem Rauschebart inmitten weiterer Honoratioren hockt.

Noch mehr Hofgeschichte: die Gitarrenwerkstatt Burga

Wenn wir schon im Flur stehen: Es zeugt von Respekt vor der Geschichte und einem guten Gespür, dass Maria nach „Amtsantritt“ zwar sanfte Neuerungen eingeführt hat auf dem Steinbrecherhof (ein deutlich üppigeres Frühstücksbuffet oder den praktischen Badekorb mit Bademantel und Handtuch für bequeme Stippvisiten unten am Seeufer zum Beispiel), darüber hinaus aber auf blindwütige Modernisierungsmaßnahmen verzichtete.

Es sprüht vor Charme, dass ein Gang durch das Stiegenhaus hinauf in den ersten und zweiten Stock anmutet wie ein Besuch im Heimatmuseum. An den Wänden hängen Fotografien der Ahnen, Urkunden und Gemälde vom Hof und der Umgebung; herrliches, antiquarisches Mobiliar von alten Bauernschränken bis hin zu Truhen dient als Blickfang; in einer Vitrine sind uralte Backformen ausgestellt.

Auf Instagram „Maria vom Steinbrecherhof“

Mit der Zeit geht die „Maria vom Steinbrecherhof“ aber schon auch, keine Sorge. So hat sie ihr Instagram-Profil getauft, dem zum Zeitpunkt unseres Besuchs bei ihr in Bad Wiessee weit über 31.000 Menschen folgen. Während der Corona-Lockdowns hat die 39-Jährige ihr Händchen für Deko entdeckt. Aus ihren Bastelanleitungen (für Kränze, Gestecke, Tisch-Deko und vielem mehr) sowie den Rezept-Tipps ist inzwischen ein kleiner Nebenerwerbszweig geworden. In der umfunktionierten Garage stapeln sich die Utensilien, die Natur ums Haus herum spendet den Rest. Wer Marias Anregungen nachmachen will, kann alles Notwendige im Online-Hofladen kaufen. Oder, viel geschickter, Urlaub machen am Steinbrecherhof in Bad Wiessee.

Kontakt und Buchung:

steinbrecherhof.de

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