Eine logistische Herkulesaufgabe: Damit an den 16 Wiesn-Tagen alles rund läuft, beschäftigen sich Festwirt Werner Heinrichsberger und der Auerbräu das ganze Jahr über mit dem Herbstfest. Dieses Jahr gibts obendrein eine spektakuläre Neuerung.

Fotos: Andreas Jacob, Auerbräu

Hand aufs Herz: Welchen gigantischen Aufwand die heilige Zweifaltigkeit aus Brauerei und Festwirt betreibt, damit unsereins eine zünftige Zeit auf der Wiesn verbringen kann, das macht man sich selten bewusst. Schon gleich gar nicht, wenn man vor einer frischen Mass Bier und einem krossen Wiesn-Hendl sitzt, die Kapelle ein „Prosit der Gemütlichkeit“ schmettert und man vor Glück die ganze Welt (in persona Nebenmann oder Nebenfrau) umarmen möcht‘. Überhaupt macht man sich sehr viel nicht bewusst, an so einem Wiesn-Abend; je länger der dauert, desto weniger, kann man vermutlich konstatieren (ohne eine wissenschaftliche Studie zu Rate ziehen zu müssen). 

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Nehmen wir nur einmal das Herbstfest-Märzen vom Auerbräu, süffig, herzhaft, bernsteinfarben und mit einem Alkoholgehalt von 5,6 Prozent. Den ersten Sud setzen Braumeister Thomas Frank und sein Team bereits im Frühsommer an, damit bis zum Wiesn-Startschuss am letzten Samstag im August ja genug Gerstensaft vorrätig ist. So ganz genau wollen Festwirt und Brauerei natürlich nicht verraten, wie viele Hektoliter Bier die Besucher*innen in den 16 Tagen vertilgen. Aber wenn man sich vergegenwärtigt, dass nur einer der hinter der Auerbräu Festhalle positionierten Kühlcontainer fünf Hektoliter fasst (also 500 Mass) und der Tankwagen täglich (immer in aller Herrgottsfrüh) zum Befüllen kommt, dann summiert sich das sicherlich auf ein paar Swim- ming-Pools. Jedenfalls: Wenn dieses Manna die durstige Kehle hinunterfluscht, dann hat man andere Sorgen als über den Aufwand nachzusinnieren, der hinter dem Spektakel steckt. Genaugenommen hat man nach dem dritten Ring gar keine Sorgen mehr, außer jener, dass die nächste Mass hoffentlich zeitnah zu Biertische schwebt.

125 Bedienungen und Kellner auf über 7.000 Sitzplätze

Dafür tragen in der Auerbräu-Festhalle dieses Jahr 125 Bedienungen Sorge. Moment, das stimmt so nicht: Bedienungen und Kellner sind‘s, da pfeift der Auerbräu schon lange auf das vorgeschobene Argument des Brauchtums. Ob Manderl oder Weiberl: Hauptsache, der Service stimmt und freundlich sind‘s! Zuständig ist der Trupp für weit über 7.000 Sitzplätze – und wenn die an einem Samstagabend alle besetzt sind, brennt die Hütte. Nur anbrennen darf eben nichts, und dafür zeichnet der immer noch neue Festwirt Werner Heinrichsberger verantwortlich.

Festwirt mit Herz und Handschlagqualität: Werner Heinrichsberger.

Ein leidenschaftlicher Gastronom, dessen Familie im Chiemgau mehrere Gast- und Wirtshäuser betreibt und schon viele Jahre auch Festzelte bewirtschaftet. Der Aschauer ist 2022 bekanntlich ins kalte Wasser gesprungen, als er sehr, sehr kurzfristig die, wie er sagt, „ehrenvolle Aufgabe“ übernahm. Nur drei Monate Vorbereitungszeit – da konnte freilich nicht alles glattlaufen. Und schon sind wir wieder beim eingangs erwähnten Thema. Machen wir uns deshalb mal bewusst: Für Brauerei und Festwirt ist nach dem Herbstfest vor dem Herbstfest. Durchatmen oder innehalten kommt nicht in Frage.

Nachhaltigkeit in der Auerbräu Festhalle

Die Auerbräu-Geschäftsführer Dirk Steinebach und Thomas Frank treibt „übers Jahr“ vor allem ihr „Steckenpferd“ um, wenn man das große, übergreifende Thema dieser Zeit überhaupt so nennen darf. Genau wie die Brauerei versuchen sie auch die Festhalle sukzessive zu einem Ort der Nachhaltigkeit zu machen. Dort gelingt das seit nunmehr 25 Jahren vorzüglich. Auerbräu zählt beim Energieverbrauch pro Hektoliter Bier zur Weltspitze. Und hier, am Herbstfest?

Wenn man da schon 16 Tage lang tausende Lampen leuchten lässt, dann sollen es zumindest LEDs sein! Wenn man schon 16 Tage lang einen exorbitanten Stromverbrauch hat, dann sorgt man zumindest für grünen Strom aus Wasserkraft. Wenn man schon 8.000 Speisen pro Tag serviert, dann verzichtet man zumindest weitestgehend auf Einwegplastik und reduziert den Papierverbrauch. Oh- nehin setzt die Rosenheimer Brauerei nur noch Recyclingpapier ein, komplett ohne Lacke, Beschichtungen und schädliche Farben. Schon spannend, wie man diese Gigantomanie umwelttechnisch zu zähmen versucht. Und es hinbekommt. Und „nebenbei“ muss die Maschinerie ja laufen.

Als Kellner brauchst Schmalz!

Werner Heinrichsberger hat sich deshalb die Erfahrungen aus seiner Premiere – die man fairerweise vielleicht lieber als Generalprobe bezeichnet – sowohl zu Herzen genommen als auch durch den Kopf gehen lassen. Das wird in diesem Jahr sicher zu spüren sein. Seine beiden Schwestern haben sich diesmal frühzeitig um zuverlässiges Personal kümmern können. Ein bisserl witzig ist das für uns Außenstehende schon, dass da eine Art Casting stattfindet. Aber logisch, man muss ja schauen, ob die Kandidat*innen ein mit Schweinsbraten und Spinatknödeln und haufenweise Hendln beladenes Tablett beziehungsweise einen Berg Masskrüge unfallfrei tragen können. Heinrichsberger senior hat derweil seine jahrzehntelange Erfahrung einbringen dürfen, sobald es um Neuanschaffungen im Küchenbereich ging. 

Und logistisch hat der Junior ein paar Dinge umgestellt, die für die Gäste und das Team Vorteile bringen sollen. „Wir haben zum Beispiel die Spülsituation entschärft“, erzählt der Festwirt. Dazu musste eine Schenke weichen, was beim Hören besorgte Schnappatmung hervorruft, sich aber bestimmt nicht negativ auf den „Bierfluss“ auswirken werde! Die übrigen Schenken seien dafür nämlich verbreitert worden, sodass die Schankkellner beidseitig ihr wertvolles Werk verrichten können, verrät der Festwirt. Hach ja, die Schankkellner, die eigentlichen Stars der Manege. Ohne diese fleißigen Fließbandarbeiter säßen wir ja auf dem Trockenen, Gott bewahre! Die Auerbräuschen Schankkellner sind übrigens ein eingeschworenes Team, seit vielen Jahren an Bord und quasi unermüdlich. Ordentlich Schmalz in den Armen und eine Kondition wie ein Marathonläufer müssen die 14 Herr- schaften haben, weil das Bier buchstäblich ohne Unterlass läuft. Es lohnt sich, diesem menschlichen Perpetuum Mobile einmal zuzusehen.

Schankkellner-Urgestein Helmut Weger.

Ebenfalls lohnenswert: An der Seite von Werner Heinrichsberger durch diesen menschlichen Ameisenhaufen zu wuseln. Okay, das ist jetzt organisatorisch natürlich nicht umsetzbar, dass dem Festwirt auf Schritt und Tritt eine Polonaise aus Gästen hin-terherdefiliert. Der hat ja keine einzige freie Minute zwischen Dienstantritt am frühen Vormittag und Heimreise weit, weit nach Mitternacht. Abrechnung, „zammramma“, Resümee, Lob und Tadel aus dem Team anhören und verteilen, das zieht sich. Noch später arbeitet nur die Putzkolonne, die um zwei Uhr anrückt und Nacht für Nacht nicht nur sämtliche Biergarnituren säubert, sondern auch zur Seite räumt, um den Boden wieder blitzeblank zu wischen. Wenn die mit dem Sechs-Uhr-Läuten wieder abdüsen, tuckern auch schon die Bierfahrer*innen heran.

Mehr über Auerbräu erfahren!

Aber wir waren ja beim Schulterblick: Ausnahmsweise haben wir das während des Starkbierfests stellvertretend für alle Bierzeltbesucher*innen einmal machen dürfen – und das rückt Vieles gerade. Weil man sieht, dass so ein Festwirt sich im Idealfall klonen können müsste. Er soll ja nicht nur organisieren, sondern auch repräsentieren. Also gleichzeitig greifbar sein, mal hier mal da „Grüß Gott“ sagen, am liebsten ein Masserl mittrinken – doch darf dabei nie das Gesamtgefüge aus dem Blick verlieren. Werden die Tische rasch abgeräumt, die Mülltonnen regelmäßig geleert, wie steht‘s um die Vorräte? Wehe, Hendl, Ente, Backfisch oder die Schweinswürstl gingen zur Neige – vom Bier ganz zu schweigen!

Apropos Speis‘ und Trank: Gute fünf Wochen vor dem „Ozapft is“ beginnt die Küchencrew mit den Vorbereitungen. Sauerkraut, Blaukraut, alles, was haltbar ist, wird schon gemacht. Damit parallel nicht allzu schnell Routine einkehrt, haben sich Heinrichsberger und Auerbräu für dieses Jahr zudem eine furiose Neuerung ausgedacht: Die Ära der Ochenbraterei endet. Wem das kein Begriff ist: Viele Jahre hing der Auerbräu Festhalle rechterhand ein zusätzlicher Bereich am Rockzipfel. Als die Zeiten noch andere waren, drehte sich dort ein Ochs gut sichtbar am Spieß, was inzwischen niemanden mehr hinter dem Ofenrohr hervorlockt. Da hinten wurd‘s zusehends einsam. Deshalb wird das zeltartige Anhängsel in den Ruhestand geschickt. Stattdessen bekommt das Herbstfest bei Auerbräu eine neue Attraktion. In der urigen Holzütte soll eine gemütliche Atmosphäre herrschen, umrahmt von traditioneller bayerischer Wirtshausküche und passenden Auerbräu-Bierspezialitäten.

Während also das eingespielte Auerbräu-Aufbau-Team um Harry Kaiser mit seinen Elektriker*innen, Schlosser*innen, Schreiner*innen und Maler*innen jetzt im Juli die Festhalle in Schuss bringt, entsteht nebenan eine von Deutschlands größten freitragenden Holzhütten. Klingt nach noch mehr Arbeit für den Festwirt. Stimmt, sagt der lachend, ohne ein Wort der Beschwerde zu verlieren. Wieso auch: „Es gibt keinen schöneren Beruf als Festwirt!“, sagt er. Da könnt‘ er Recht haben. Prost, auf eine schöne Wiesn!

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