Parallel zum Klettersport erlebt auch das Prinzip Hochseilgarten einen wahren Boom. himmeblau hat einen Pionier getroffen und Anlagen in Bayern und Tirol näher unter die Lupe genommen.

„Ich hatte ganz schön weiche Knie und wollte da anfangs eigentlich gar nicht hoch“, gibt der junge Mann im grünen T-Shirt zu. „Aber jetzt bin ich unheimlich stolz und glücklich, dass ich den Parcours gemeistert habe.“ In 15 Metern Höhe ging es an Seilen, über Wackelbrücken und ein Hangelnetz von Plattform zu Plattform. Nach dem abschließenden Flying Fox hat der Mann jetzt wieder festen Boden auf den Füßen, aber noch jede Menge Adrenalin im Blut. „Ein geiles Gefühl!“, sagt er freudestrahlend.

Über 500 x in den Hochseilgarten in Bayern und Österreich

Dieses „geile Gefühl“ kann man so oder ähnlich mittlerweile in über 500 Hochseilgärten in Deutschland und Österreich erleben. Parallel mit dem Klettersport erlebt auch das Prinzip Hochseilgarten einen wahren Boom. Michael Paul war der Erste, der im Chiemgau diesen Trend erkannte. Anfang der Nullerjahre eröffnete er in Aschau den Chiemgauer Hochseilgarten. „Damals waren wir neben dem Outdoor-Center Baumgarten in Schneizlreuth der einzige Anbieter zwischen München und Salzburg“, erinnert sich Paul. „Heute gibt es zwölf Anlagen im Umkreis von 50 Kilometern.“

Die Nachfrage ist groß. Firmen schwingen sich gerne zum Team- oder Managementtraining in luftige Höhen. Für Schulklassen sind die Kletterparks längst eines der beliebtesten Ausflugsziele. Patienten lassen ihre Höhenangst therapieren. Verliebte wagen den ultimativen Paar-Test und lernen, sich gegenseitig zu vertrauen und gemeinsam schwierigste Herausforderungen zu bewältigen. Kletter- und Outdoor-Freaks erleben ein abwechslungsreiches Abenteuer in der Natur. Und Adrenalin-Junkies suchen den Kick beim schwindelerregenden „Seiltanz“ über Schluchten und reißende Flüsse.

Spielerisch mentale Grenzen überwinden

Dabei muss man gar nicht besonders sportlich sein, um einen Hochseilgarten zu bewältigen. Es gilt vielmehr, spielerisch mentale Grenzen zu überwinden und inner­halb von Familien und Teams aller Art die Verständigung und Sozialkompetenz zu fördern. „Man lernt im Hochseilgarten, seine eigenen Grenzen zu verschieben“, weiß auch Michael Paul. Der Aschauer, der mit silbergrauer Mähne, lässigem Freizeitlook und seiner lockeren, offenen Art auch mit Anfang 60 noch voll das Klischee des Outdoor-Sonnyboys erfüllt, betreibt am Fuße der Kampenwand einen traditionellen Hochseilgarten, den er komplett in Eigenregie aufgebaut hat. Ähnlich wie im Hochseilgarten Pelham ist man hier eher pädagogisch orientiert. Es gibt keine festen Öffnungszeiten, man muss sich voranmelden und wird dann in der Gruppe von erfahrenen Trainern betreut und begleitet.

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Eher touristisch orientiert und auch auf Einzelgäste und spontane Gruppen eingerichtet sind die zahlreichen Waldseilgärten, die es mittlerweile in Oberbayern und Tirol gibt. Zu diesen zählen beispielsweise Parker Outdoor in Übersee am Chiemsee und Reit im Winkl, der Waldseilgarten Oberaudorf, der Kletterwald Prien oder auf Tiroler Seite der Abenteuerpark Achensee, der Hornpark Kletterwald in St. Johann oder der Naturhochseilgarten Wildschönau. Hier sind die Stationen an Bäumen befestigt und befinden sich in einem Waldgebiet, weshalb die Anlagen meist auch deutlich größer als traditionelle Hochseilgärten sind. Es gibt feste Öffnungszeiten, Voranmeldungen sind nur teilweise nötig. Die Eintrittspreise liegen niedriger, weil die Gruppen hier in der Regel nicht direkt von Trainern begleitet werden. Dennoch befinden sich natürlich immer Trainer in der Nähe, um im Ernstfall zu helfen.

Sicherheit geht vor im Hochseilgarten

Die Sicherheit der Klettergäste ist für die Betreiber ohnehin das A und O. Viele Anlagen haben sich in der European Ropes Course Association (ERCA), der führenden Vereinigung von Kletterwald- und Seilgartenbetreibern in Europa, zusammengeschlossen und lassen ihren Park hier regelmäßig von Sachverständigen überprüfen. Auch die Sicherungssysteme sind erstklassig. Der Kletterwald in Prien hat beispielsweise im vergangenen Jahr das neue „Smart Belay“-System von Edelrid eingeführt. „Hier kommunizieren die Karabiner miteinander. Somit kann immer nur einer geöffnet und anschließend umgehängt werden, der andere bleibt fest verriegelt im Seil“, schwärmt Kletterwald-Geschäftsführer Wolfgang Estermann. Auch die anderen Anlagen überlassen nichts dem Zufall. Bei „Parker Outdoor“ in Übersee am Chiemsee setzt man auf das völlig neue „Expo Glider System“, das überhaupt kein Umhängen der Karabiner mehr erfordert.

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Fotos: Parker Outdoor, Hochseilgärten Oberaudorf/Achensee

Die Sicherheitsvorkehrungen haben auch den jungen Mann im grünen Shirt überzeugt. „Es kann ja eigentlich gar nichts passieren“, meint er. Beim nächsten Mal will er sich nun sogar bis zu 21 Meter hoch in die Lüfte wagen und den schwierigsten Parcours im Hornpark in St. Johann meistern. Und ein vielleicht noch geileres Gefühl erleben.